Wolfgang Winter

Pastoralpsychologie

 

Kriegskinder

In den letzten Jahren hat ein öffentlicher Diskurs über bisher kaum thematisierte Aspekte des 2.Weltkriegs begonnen. Die Schrecken von Bombenkrieg, von Flucht und Vertreibung, das Zerbrechen von Familien und die Abwesenheit der Väter in den entscheidenden Kinderjahren werden beschrieben und besprochen. Diese neue Wahrnehmungsbereitschaft ist deshalb möglich, weil heute beides anerkannt und betrauert werden kann: die Schuld der Deutschen, die unermessliches Leid über andere gebracht haben – und das eigene Leid, das im Verlauf des Krieges zunehmend auf die Deutschen selbst zurückkam. Vor allem das Leid der damaligen Kinder kann nun wahrgenommen, gewürdigt und in seinen Langzeitfolgen verstanden werden.

Wie wurden die „Kriegskinder“ mit den belastenden bis beschädigenden Erfahrungen fertig? Neuere Studien zeigen, dass die Kinder bei der Verarbeitung ihrer Erlebnisse weitgehend alleingelassen wurden. Die Sorgen insbesondere der Mütter waren andere: es ging darum zu überleben, es ging darum, ein Dach über den Kopf zu bekommen, Nahrungsmittel und Bekleidung zu beschaffen, die Kinder in der Schule unterzubringen. Die Kinder lernten, mit eigenen Sorgen und Anliegen möglichst nicht „zur Last zu fallen“, zu funktionieren und insbesondere die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu halten. So entstand eine Generation der unauffällig Tüchtigen, die ihr Leben meisterten, ihre Karrieren machten, Familien gründeten, in den 60iger Jahren an einem überraschenden kulturellen und politischen Wandel teilnahmen und heute als die „fitten Alten“ die Möglichkeiten des (Un-)Ruhestandes erkunden.

Allerdings hat diese Tüchtigkeit ihren Preis. Vor allem verpönte und daher verdrängte Gefühle melden sich bei Vielen gerade im Alter. Manchmal sind es Gefühle der Heimatlosigkeit und Ungeborgenheit, der Angst zu versagen oder auch bleibendes Misstrauen anderen gegenüber und Traurigkeit über Verlorenes. Auch Probleme im Blick auf die eigene Identität oder auf die Partnerbeziehung melden sich neu oder von neuem. Viele möchten die „alten Geschichten“ aus den frühen Jahren erzählen, wollen gehört und verstanden werden.

Nach meiner Erfahrung sind psychoanalytisch orientierte Gesprächsgruppen gut geeignet, um Raum zu bieten für solche Geschichten. Sie bieten erst einmal Entlastung vom Druck der Erinnerungen. Die Teilnehmenden können darüber hinaus die Erfahrung machen, dass sie nicht allein sind mit ihren Fragen und Problemen, dass sie anderen etwas geben können und von anderen etwas bekommen können. Schließlich können sie an heute noch wirksamen Problemen und Einschränkungen arbeiten und neue Perspektiven für die vor ihnen liegenden Jahre gewinnen. Meine Wahrnehmungseinstellung als Gruppenleiter richtet sich dabei sowohl auf die jeweils einzelne Person wie auch auf den Gruppenprozess als Ganzes. Außerdem achte ich darauf, dass sowohl die Ressourcen als auch die Probleme der Teilnehmenden ihren Raum in der Gruppe bekommen.

 


Kinder der Kriegskinder

Sie kommen gegenwärtig zunehmend in den Blick von Forschung und medialer Öffentlichkeit. Auch diese Generation der in den 50iger bis 70iger Jahren des vergangenen Jahrhunderts Geborenen imponiert zunächst als eine Generation Tüchtigen und Leistungsfähigen. Dennoch fühlen sich Viele unsicher im Verhältnis zu sich selbst. Der Zugang zum eigenen Empfinden und Wünschen fällt schwer. Viele sind es gewohnt, zuerst auf die Erwartungen Anderer zu achten. Die eigenen Eltern erleben Viele als letztlich verschlossen und unzugänglich bei aller äusseren Zugewandtheit. Offenbar wiederholen sich hier Prozesse transgenerationaler Weitergabe, die schon das Schicksal der Elterngeneration geprägt haben.
Die Wochenend-workshops umfassen Informationen über den Forschungsstand (1 Sitzung) und eine biographisch orientierte Gesprächsgruppe (4 Sitzungen)

 

„Im Krieg war ich noch ein Kind“

Psychoanalytisch orientierte Gesprächsgruppe für Kriegskinder
(Jahrgang 1930-1945)

 

„Bis ins dritte und vierte Glied?“

Workshop für Kinder
der Kriegskinder