In den letzten Jahren hat ein öffentlicher Diskurs über bisher
kaum thematisierte Aspekte des 2.Weltkriegs begonnen. Die Schrecken
von Bombenkrieg, von Flucht und Vertreibung, das Zerbrechen von
Familien und die Abwesenheit der Väter in den entscheidenden
Kinderjahren werden beschrieben und besprochen. Diese neue
Wahrnehmungsbereitschaft ist deshalb möglich, weil heute beides
anerkannt und betrauert werden kann: die Schuld der Deutschen, die
unermessliches Leid über andere gebracht haben – und das eigene
Leid, das im Verlauf des Krieges zunehmend auf die Deutschen selbst
zurückkam. Vor allem das Leid der damaligen Kinder kann nun
wahrgenommen, gewürdigt und in seinen Langzeitfolgen verstanden
werden.
Wie wurden die „Kriegskinder“ mit den belastenden bis beschädigenden
Erfahrungen fertig? Neuere Studien zeigen, dass die Kinder bei der
Verarbeitung ihrer Erlebnisse weitgehend alleingelassen wurden. Die
Sorgen insbesondere der Mütter waren andere: es ging darum zu
überleben, es ging darum, ein Dach über den Kopf zu bekommen,
Nahrungsmittel und Bekleidung zu beschaffen, die Kinder in der
Schule unterzubringen. Die Kinder lernten, mit eigenen Sorgen und
Anliegen möglichst nicht „zur Last zu fallen“, zu funktionieren und
insbesondere die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu halten. So
entstand eine Generation der unauffällig Tüchtigen, die ihr Leben
meisterten, ihre Karrieren machten, Familien gründeten, in den
60iger Jahren an einem überraschenden kulturellen und politischen
Wandel teilnahmen und heute als die „fitten Alten“ die Möglichkeiten
des (Un-)Ruhestandes erkunden.
Allerdings hat diese Tüchtigkeit ihren Preis. Vor allem verpönte und
daher verdrängte Gefühle melden sich bei Vielen gerade im Alter.
Manchmal sind es Gefühle der Heimatlosigkeit und Ungeborgenheit, der
Angst zu versagen oder auch bleibendes Misstrauen anderen gegenüber
und Traurigkeit über Verlorenes. Auch Probleme im Blick auf die
eigene Identität oder auf die Partnerbeziehung melden sich neu oder
von neuem. Viele möchten die „alten Geschichten“ aus den frühen
Jahren erzählen, wollen gehört und verstanden werden.
Nach meiner Erfahrung sind psychoanalytisch orientierte
Gesprächsgruppen gut geeignet, um Raum zu bieten für solche
Geschichten. Sie bieten erst einmal Entlastung vom Druck der
Erinnerungen. Die Teilnehmenden können darüber hinaus die Erfahrung
machen, dass sie nicht allein sind mit ihren Fragen und Problemen,
dass sie anderen etwas geben können und von anderen etwas bekommen
können. Schließlich können sie an heute noch wirksamen Problemen und
Einschränkungen arbeiten und neue Perspektiven für die vor ihnen
liegenden Jahre gewinnen. Meine Wahrnehmungseinstellung als
Gruppenleiter richtet sich dabei sowohl auf die jeweils einzelne
Person wie auch auf den Gruppenprozess als Ganzes. Außerdem achte
ich darauf, dass sowohl die Ressourcen als auch die Probleme der
Teilnehmenden ihren Raum in der Gruppe bekommen.
Psychoanalytisch orientierte
Gesprächsgruppe für Kriegskinder
(Jahrgang 1930-1945)